Mittwoch, 7. Januar 2009

Chicken or Pasta?




Auf Langstreckenflügen ist die Frage "Chicken or Pasta?" mittlerweile ein Klassiker. Dazu gibt es meistens ein gummiartiges Brötchen von circa 3 cm Durchmesser und Kräcker, Butter sowie ein merkwürdiges Törtchen in dunkelbraun.

Nie hat das Essen im Flugzeug Ähnlichkeit mit den gleichnamigen Produkten auf der Erde. Das gilt vor allem für Gebäck jeglicher Art. So knautschig, knetbar, formbar. Mit Luft gefüllt, die sich im Magen der Passagiere dann auf das fünffache Volumen ausdehnt und in Form von Blähungen wieder herauskommt. Leider kann man im Flugzeug nicht das Fenster aufmachen und lüften. Sauerstoffmasken werden deshalb auch keine heruntergelassen.

Auf dem Flug von München nach Malta wird ein kleiner Snack serviert. Ganz erstaunlich der kleine Mince Pie (Warnung: Englische Küche im Flugzeug!). Erstaunlich ist der Mince Pie deshalb, weil er mehr Zutaten enthält, als physikalisch gefühlt hineinpassen. Das kleine Ding ist nämlich nur 40 Gramm schwer (im Magen dann 40 kg) und enthält sage und schreibe über 40 Zutaten!

Dazu gehört zum Beispiel Weizenmehl, für ein Gebäckstück nicht ungewöhnlich. Warum aber Pflanzenöl und teils pflanzliche teils tierische Margarine? Warum Zucker und Fructose und Glukose und Maltodextrin und Apfelpulpe und Kirschen und Rosinen und Backpulver und Stärke und Eier und Molke und Aromen und Ascorbinsäure und diverse Substanzen mit Nummern...

Na klar! Für irgend etwas müssen die Kotztüten ja gut sein.

Übrigens, ich trinke im Flugzeug immer Tomatensaft.

Dienstag, 9. Dezember 2008

Enten und Gänse

Ästhetische Umweltverschmutzung ist ein ernstes Problem. Im schlimmsten Falle kann sie zu Niedergeschlagenheit bis hin zu echten Depressionen, juckenden Hautausschlägen oder gar Ohrgeräuschen führen.

Meine Leidensgeschichte begann vor 15 Jahren. Nichts ahnend saß ich im Bus und ließ meinen Blick über die Reklametafeln schweifen. Da war es, das Wort. Kokosvaeverie, ja so hieß die Firma. Meine Augen begannen zu tränen. In meinen Ohren summte es. Kokosvaeverie, Kokosvaeverie – was zum Teufel soll das heißen? Kokosweberei vielleicht, mit einem kapitalen Druckfehler. Das Wort ging mir nicht mehr aus dem Kopf. Kokosvaeverie, Kokosvaeverie, Kokosvaeverie auf und ab in meinen Gehirnwindungen. Es war eine Werbung für einen Teppichladen, Teppiche aus Naturfasern, aber dürfen die einen deshalb so quälen? Der Slogan war unerträglich, die Strichzeichnung dazu auch. Was es war, weiß ich nicht mehr, es war nur unerträglich dumm. Vergessen ist eine Gnade, wenn es um ästhetische Umweltverschmutzung geht. Seit einigen Jahren ist die Werbung aus den Bussen verschwunden; ich hoffe der Laden ist inzwischen pleite gegangen.

Neulich wollte ich eine Klobürste kaufen. Dafür gehe ich natürlich nicht in einen Designerladen, sondern in ein Kaufhaus. Jeder normale Mensch hat eine Vorstellung davon, wie eine Klobürste aussieht. Es gibt – ob Sie es glauben oder nicht – Klobürsten, die in einer Porzellan-Enten-Halterung stecken. Weißes Porzellan mit goldenen Konturen! Der Klobürstendesigner muss ein Entenhasser sein. WC-Ente auf nobel getrimmt. Eine verschissene Klobürste in porzellines, güldenes Entengefieder stecken. Kitsch lebt vom Kontrast oder so ähnlich, würde ein Soziologe sagen. Warum tun Leute so etwas? Das kostet doch Geld. Jemand entwirft so ein Ding, der Porzellanhersteller sagt: Klasse, machen wir! Der Einkäufer im Kaufhaus sagt: klasse, nehmen wir 50 Stück davon ab! Und verkaufen sie für 39 Euro fünfundneunzig. Und dann kommt jemand, und sagt: Klasse, eine Enten-Klobürste! Wollte ich schon immer in meinem Bad haben. Und der Preis, 39 Euro fünfundneunzig, nehm ich glatt mit. Die Vorstellung, dass in 50 Haushalten Entenklobürsten stehen, macht mir Angst. Ich stelle mir vor, ich bin bei Leuten zum ersten Mal eingeladen. Ich muss aufs Klo, sehe dieses Ding und bekomme einen anaphylaktischen Schock.

Überhaupt, Enten und Gänse. Ich habe nichts gegen Enten und Gänse, weder lebendig noch gebraten mit Kartoffelknödeln und Blaukraut. Aber bitte, bitte, bitte – keine blauen Gänse im Gänsemarsch aufgestickt auf weißen Geschirrtüchern, Tischdecken oder Küchengardinen. Besonders in Norddeutschland ist der Gänsewahn weit verbreitet. Das putzt ungemein, rote Klinkerhäuser, weiße Gardinen in den Fenstern, mit blauen Gänschen, die putzige kleine Schleifchen um die langen Hälse tragen. Das wirkt so nordisch-frisch. Hundert Chinesinnen sitzen vornüber gebeugt, schwitzend, eingesperrt in einer stickigen Fabrikhalle in einem südlichen Vorort von Shanghai. Im Akkord sticken sie eine Gans nach der anderen auf das weiße Tuch. Irgendwann hat der chinesische Gänsetuch-Designer mitbekommen, dass wir in Deutschland eine Einwanderungsdebatte haben. Deshalb gibt es auch Gänse mit Kopftüchern.

In einem nördlichen Vorort von Shanghai gibt es noch eine andere Fabrik. Sie ist an ein Gefängnis angeschlossen, in dem viele Regimegegner einsitzen. Dort machen sie Enten aus Pressholz und bemalen diese mit formaldehydhaltigen Farben. Diese werden auf hölzerne Spieße gesteckt. Immer wenn die Gefangenen 50.000 dieser Enten am Spieß fertig gemacht haben, werden die Enten verpackt und mit einem Frachter nach Indien verschifft. Unermüdlich flechten kleine indische Mädchen kleine Kränze aus Zweiglein, die auf den Entenspieß geklebt werden, so dass die formaldehydfarbene Ente in der Mitte des Kranzes sitzt. Niedlich, nicht? So viel Arbeit, so viel Logistik, bis die Entenspieße dann endlich in deutschen Blumentöpfen gelandet sind. Kein Wunder, dass so viele Topfpflanzen Läuse kriegen oder eintrocknen. Auch Pflanzen sind sensible Geschöpfe.

M.